Vergleich dreier Menschenbilder

Alfred Lang

University of Bern Switzerland

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Conference Presentation 2003

Sind die Menschen "Tiere, die einen Herrn nötig haben"?
Ein Vergleich dreier Welt- und Menschenbilder

2003-01 Menschenbilder
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Uebarbeitete Vortragsvorlage für die Reihe "Menschenbilder" der Kirchgemeinde Kirchlindach, 2003.01.28

 
 
 
>>> Herders MB 98
>>> Person & Kultur 94
>>> Externe Seele 92
>>> Kopernikan. MB 88

First  posted 2003.02.03

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Revisions: 2003.12.19

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Eine erweiterte Textfassung in Form von Kommentaren zu den Tafeln ist in Bearbeitung

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In diesem Vortrag möchte ich drei Welt- und Menschenbilder in ihren wesentlichen Zügen aufweisen und ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede untersuchen. In der Menschenwelt insgesamt gibt es eine riesige Zahl und Vielfalt von Welt- und Menschenbildern (WMBs). Im Grund hat jedes Individuum ein eigenes und es wandelt sich fortwährend.

Hier geht es auf einer allgemeineren Ebene um wesentliche Grundzüge, die vielen individuellen WMBs charakterisieren. Solche Grundzüge lassen sich allgemien in ein Gesamt-WMB zusammenfassen. Nur auf dieser etwas unrealistischen Ebene lässt sich allgemein über WMBs sprechen. Es geht mir ebenso um Differenzen und Verwandtschaften. Wie man auf dieser abstrakten Ebene gewonnene Einsichten wieder ins konkrete Leben, vor allem das Zusammenleben umsetzt, wie allgemeine Einsichten konkret im Leben von Einzelnen und von Gruppen wirksam werden können, wird hier am Schluss nur gestreift.

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Das ist ein Zitat mit einer ungeheuren Aussage. Man bedenke, dass es von einem Mann stammt, der als der grösste Aufklärer gilt und dass Aufklärung vom gleichen Kant als der "Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit" verstanden wird (im Eingangssatz seiner Schrift Beantwortung der Frage: 'Was ist Aufklärung'?) Und er fährt fort: "Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Mit diesem Aufklärungsideal steht der Satz vom Menschen als ein Tier, das einen Herrn nötig hat, in fundamentalem Widerspruch. Die Aufklärungsschrift wurde im September, die Geschichtsschrift im November des gleichen Jahres 1784 publiziert.

Nun, Kant hatte in der Zwischenzeit???????? eine Schrift gelesen von seinem ehemaligen Schüler, Johann Gottfried Herder, und der hatte seit bald 20 Jahren eine ganz andere Sicht der Welt und der Menschen entworfen, die ihm dieser erste Teil eines auf fünf Bände angelegten Werkes in Erinnerung rief. Kant hat anonym, eine verheerende Kritik von Herders Buch geschrieben und. Herders Sicht versteht -- verkürzt gesagt -- die Welt und die Menschen nicht als einmalig geschaffen, sondern geworden und weiterhin im Werden, und die Menschen als eine entscheidende Kraft dieses Werdens. Die Welt sei also nicht so sehr gesetzesbetimmt, wie man seit Plato annahm, sondern könnte in jedem Augenblick ebensout anders werden, als die vermeintlichen Gesetze bestimmten würden. Das einzige, was diese Gesetztesgebundenheit übersteige sei der Geist, ob göttlich oder menschlich. Herder jedoch sieht eine Kontinuität des Hervorgehens, das, was man Geist nennt, letztlich als nichts anderes als die Organisation der Materie, ihr nicht entgegengesetzt oder gar übergeordnet, sondern immant und durch nichts vorausbestimmt. Dass muss Kants Gefühle des Vertrauens in eine gesicherte Weltordnung und seinen Glaubens in den absolutenVorrang der Vernunft, auch und gerade im menschlichen Handeln, herausgefordert haben. Herders Verständnis, was die Menschen betrifft, lassen sich am leichtesten in jenen Sätzen zusammenfassen, die er im zweiten, 1785 publizierten Teils seiner Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit als Antwort auf Kants Geschichtsschrift gab. Für Herder ist "der Mensch zu feineren Trieben, mit hin zur Freiheit organisiert" (Ideen I.4.iv):

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Für Herder waren die Menschen "die ersten Freigelassenen" der Schöpfung (1784, Ideen I.4.iv), "Geschöpfe und Schöpfer" zugleich, der Welt und in mancher Hinsicht sogar ihrer selbst (J.G. Herder, 1797, SWS 29:139, DKV 3:830), wie er in seiner teils christlich geprägten, teils in einer förmlich naturalistischen Sprache betonte. In dieser epochalen Auseinandersetzung zwischen Gesetz und Freiheit kommen drei für das Abendland bestimmende Menschenbilder zum Ausdruck: ein griechisch-christlich fundiertes, ein aufklärerisch überformtes und ein Gegenbild dazu, welches beider Gesetzlichkeitsdenken durch eine ungemein offene, auf Freiheit und Verantwortung angelegte Menschlichkeit entwarf, die im im europäischen Raum zum ersten Mal in dieser Konsequenz auftrat.

Natürlich gibt es weltweit, wie gesagt mehr WMBs und weitere Differenzierungen, als ich hier vortragen kann. Die zwei ausgewählten und ihre dritter, wenig bekannter Kontrapunkt sind allerdings tiefgreifend für die Entwicklungen bestimmend, die von Europa ausgehend das Geschehen der letzten Jahrhunderte weltweit geformt haben, sei es durch den Kolonialismus oder durch die nachkolonialen Formen der Globalisierung. Dafür, dass ich Zuspitzung der Gedanken ihrer feinen Differenzierung vorziehe, möchte ich mich nicht entschuldigen; ich denke vielmehr, dass einige Artikulationen klären helfen können, auch wenn sie zum Teil schmerzlich sein mögen.

Vorweg möchte ich ein paar Bemerkungen zu meinem Vorgehen, seinen Beschränkungen und seinen Vorzügen machen, damit möglichst wenig Missverständnisse entstehen: ich will nicht WMBs von irgendeinem weiteren WMB aus beurteilen, eines über andere setzen. ich will also keine Weltanschauung entwerfen und vertreten. Sondern ich möchte aus einer vergleichenden Betrachtung einige Einsichten ableiten, die jedem zu denken geben müssen, der sich nicht zum vornherein einer bestimmten Weltanschauung verpflichtet hat, sondern denkt, eine solche könne nie definitiv sein und sollte so weit wie möglich an Beobachtungen des Wirklichen erprobt und von ihren vermuteten Wirkungen auf das menschliche Zusammenleben her bewertet werden.

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Ich werde über diese Menschenbilder sagen, was ich an Einsichten darüber gewonnen habe. Andere werden andere Einsichten betonen wollen. Meine Absicht ist nicht zu urteilen, sondern in Frage zu stellen, die Lebendigkeit des Selbstverstänsnisses zu fördern. Insbesondere liegt mir fern, jemandes religiöse Überzeugungen als solche zu kritisieren. Solche haben für jeden Menschen ihre Geschichte und die ist nachträglich nicht zu ändern. Worüber man allerdings reden muss, sind die möglichen Folgen der verschiedenen Einstellungen.

Vergleichen ist die wohl meistverbreitete Methode aller Wissenschaften überhaupt. Erstaunlich, dass über die Logik des Vergleichen nahezu nicht systematisch nachgedacht worden ist.

 

 

 

 

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