Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Conference Presentation 1993

(Para-)Psychologie zwischen Erklärungsdruck, -bedürfnis, -willen, -versagen ...

1993.18

@SciPhi @EmpAnth @DevPsy

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Vortragsvorlage für Collegium Generale Tagung, Münchenwiler 14./15.4.1993 zum Thema: Universität und "Parawissenschaft" (unter Mitarbeit von Eugen Blümli)

Dem Andenken Ernst August Dölles gewidmet 1

© 1998 by Alfred Lang

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Auch geeignete Untertitel

denn ich meine wirklich: "dazwischen" = (freiwillig) gefangen, befangen, zwischen allen Stühlen der Wissenschaft

("Para-" verweist hier immer auf Wissenschaft und Praxis)

Entführung eher in die Wissenschaftsphilosophie, -psychologie, (an den Rand der) Wissenschaftssoziologie

Zweifronten-Opposition und Ringen um eine dritte, allgemeinere Ebene: gegen orthodoxe Naturwiss. und gegen entgegegesetzte "Geisteswiss." (vgl. die anti-kognitive und die kognitive Wenden der Psychologie im 20. Jahrhundert).

 

Einstieg: Der Kindheitstraum vom para-befähigten Musiker

Telepathisch ein grosses Orchester zu leiten oder ein Streichquartett in einen absolut vollkommenen Vollzug zu führen

Telästhetisch (hellsehend, retrokognitiv) die Intentionen der grossen Komponisten zu erfassen und die Einsichten grosser Dirigenten und Solisten früherer Zeiten

Tele- oder psychokinetisch die Geige gigapaganinianisch zu traktieren, also den eigenen Körper vollkommen zu beherrschen und den Bogen, den Klang, die Form wie gewollt zu führen, zu formen, zu ordnen

Ich wollte nicht so weit gehen, die Herren Bach, Mozart, Schubert oder Mahler neu materialisiert auftreten zu lassen, da war die Ehrfurcht zu gross; aber Beethoven als Poltergeist, Bruckner als Engel oder Wagner als Gespenst; das waren schon Versuchungen

Präkognitiv die Bedingungen einer Laufbahn vorauszusehen und telepathisch eine wunderbare Musik zu erzeugen, schien aber auf den ersten Blick äusserst attraktiv.

Bis ich erst viel später den Widerspruch kapierte, der darin liegt, dass das gleiche Psi-Prinzip Voraussehen und Vorausbestimmen erklären soll.

Und sofort begriff ich dann auch, dass unter der einen oder anderen Parafähigkeit meinem (künstlerischen oder sonstigen) Leben unmittelbar aller Spass genommen wäre. (Blieb noch die Frage, ob vielleicht ein bisschen "Para-" wünschbar wäre? Darauf werde ich noch kommen.)

Dass ich in Bälde in so dumme Situationen geraten wäre, wie sie der arme Wotan in seiner unverzichtbaren Göttlichkeit und seinem gleichzeitigen Durst nach Wahlfreiheit und Überraschung herstellen wollte und dabei so grandios scheiterte. Götterdämmerung.

So verstehe ich heute nur kaum mehr, dass man sich den Nachweis hartnäckig zum Ziel machen will. Oder nur unter Voraussetzung, dass die Leute, die das tun, von allen vernünftigen Geistern verlassen sein müssen, jedenfalls ein einen engen Horizont eingeschlossen sein müssen.

Es sei denn, man wäre mit ein paar Promille oder ein bis zwei Prozent Erfolg über dem Zufall hie und da (!) zufrieden, wie sie die veröffentlichten Untersuchungen der empirischen Parapsychologen ausweisen. Die Misserfolge sind natürlich alle in der Schublade geblieben oder im Abfall gelandet!

 

Das Phänomen "Psi"

Ich bin kein Experte. Habe gelegentlich auf Bitte der Studierenden im Rahmen der Wahrnehmungspsychologie ein Vorlesung über Parapsychologie gehalten, dafür hie und da ein bisschen gelesen. Früher auch etwa telepathisches "Medium" gespielt.

zu meiner eigenen Belustigung: zB Er-Pendeln des Ortes verlorener Gegenstände oder der mutmasslichen Prüfungsaufgaben (mit Erfolg u.a. auf einer Schluwanderung und an der mündlichen Maturtätsprüfung!)

zur Belustigung anderer: zB Telepathie in der Vorlesung (man konnte früher zuverlässig erwarten, dass die Teilnehmer bei der Wahl einer Zahl von 0 bis 9 die 7 bevorzugten)

Offenbar handelt es sich um die Annahme von "Leib-seelischen Fernkräfte". Besteht eine Analogie zu den elektromagnetischen Feldern, die scheinbar auch keinen Träger kennen? Besteht eine zeitliche Koinzidenz mit der Entdeckung el.-magn. Felder. Prüfen, ob vor Maxwell nur Einzelphänomene beschrieben worden sind und erst diese Idee diesen Oberbegriff ermöglichte.

Die untersuchungswürdige Erscheinung ist aber nicht nur der "Gegenstand" "Psi". Vielmehr ist die gesellschaftliche Erscheinung "Parapsychologie", also die quasi-wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen "Psi" der interessantere Gegenstand.

 

Ein kleine Geschichte der Erscheinung

Die Beschäftigung mit der Sache begann etwa um die Mitte des 19.Jh., wohl zur Hauptsache als Reaktion gegen die zunehmende Kraft der Naturwissenschaft und gegen deren positivistisches Programm zur deterministischen Erklärung aller Erscheinungen. Früher war vermutlich die begriffliche Konzeption solcher Dinge eher im Zusammenhang mit Magie, Macht und Einfluss gesehen worden.

Im späteren 19. Jahrhundert, dh dem Hochzeitalter der modernen Wissenschaften fand eine Art Verwissenschaftlichung dieser Dinge statt.

Vorher waren solche Erscheinungen teils in religiösen (Swedenborg), teils in literarischen Traditionen (Romantik) beheimatet. Und natürlich haben sie eine lange Vorgeschichte.

"Wenn wir mit überlegter Kühnheit vorgehen und jedes weltanschauliche Vorurteil, das unsere geistige Bewegungsfreiheit hemmt, von uns werfen, wird die parapsychologische Forschung Resultate hervorbringen, die alle unsere Hoffnung übertreffen werden." Henry Bergson 1914 (Presidential Address). Bergson war in mancher Hinsicht und trotz einiger Schnitzer im Umgang mit hochspezialisierter Wissenschaft ein sehr vernünftiger und informierter Mann und selbständiger und mit Grund ein wissenschaftskritischer Denker. Die Faszination muss also gerade auch in dieser besonderen Lage gross gewesen sein.)

Society of Psychical Research in England gegründet 1882

Bald darauf in den USA, dann verschmolzen

1891 Revue, 1914 Institut Métapsychique International, Paris (u.a. Pierre Janet)

Leute mit empirisch-wissenschaftlicher Bildung aber Interesse an Wahlfreiheit u.dgl.

Zirkel und Forschung in vielen wissenschaftlich infiziertenStädten

Primär Sammlungen und Überprüfungen von Fällen, auch erste Experimente

Grosses Interesse aber auch am Leben nach dem Tode, zweifellos auch religiöse Motivation

weitere Zeitschriftren und Instiutute

Zeitschriften 1926, 1930 etc. in Deutschland,1933 in Holland

Institutsgründungen: 1928 in Berlin: Hans Driesch, E. Mattiesen, Max Dessoir, Ausdruck Parapsychologie; 1934 Institute for Parapsychology, Duke University, J.B. Rhine

Lehrstuhl für Parapsychologie für Hans Bender in Freiburg i.B. in den 50erJahren

in CH: C.G. Jung, Gebhard Frei, Peter Ringger u.a.

 

Zum Sprachgebrauch

par..., para... (gr.) bei, neben, darüber-hinaus, gegen,

Gelungene Wortbildungen:

Parallele

Paraphrase

Paradigma

Paradoxie

Parästhesie (Sinnesstörungen)

Parakusie (Hörtäuschung)

? paranormal

 

Paranormal: Bezeichnung für Erscheinungen ausserhalb normaler Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis

angefochten, zB durch McConnell, weil die Bezeichnung psychiatrische oder andere Normen vorausetze

aber auch einfach statistisch fassbar: das seltene, unerklärliche Ereignis.

Zwei sehr verschiedene Bedeutungen:

(A) noch nicht normal -- dh wenn einmal aufgeklärt, dann nicht mehr paranormal -- terra incognita (mithin als definiens über Aufgabenbereichsmarkierung hinaus wenig geeignet)

(B) grundsätzlich nicht normal -- meint das: überhaupt nicht aufklärbar?, also terra transcendentalis

Das ist eine absurde Definition, wenn sie gleichzeitig Wissenschaftlichkeit beansprucht.

Der Bezeichnungen sind viele, und es kommen ständig neue hinzu, im Bemühen, neutral Wörter zu wählen:

Psi

Anomalie (überhaupt)

Omega

 

Parapsychologie, Psi-Wissenschaft (Defitionen -- Oberbegriff)

Dorsch (pragmatisch!): Sammelname für alle (paranormalen) Erscheinungen, Erfahrungen, Erlebnisse und Verhaltensweisen, die mit dem heutigen psychologischen, physiologischen, physikalischen Wissen nicht vereinbar sind, einschliesslich deren Erklärungsversuche.

Psi-Funktion: Bezeichnung für eine Erklärung paranormaler (oder anomaler) Erscheinungen, dh relativ seltenen Ereignissen, die im Widerspruch zu geläufigen Erfahrungen oder formulierten Naturgesetzen stehen

 

Eine negative Definition scheint nötig,

nämlich alles was ausserhalb bekannter Vermittlung oder Verursachungskanäle wirkt

Argument von Palmer 1985, nach Alkock 1987: kein sinnvolles wissenschaftliches Umgehen möglich ohne positive Definition

Immerhin scheint zB Präkognition positiv definierbar: jetzt wissen, was erst später tatsächlich eintrifft; man muss es nur vom zufälligen Raten unterscheiden können.

 

Eine zweite Abgrenzung ist nötig und bleibt wesentlich unschärfer als die gegen "normale" (Psycho-)Physik

Ein weiter Bereich von religiösen und magischen Erscheinungen dürfte in hohem Masse strukturähnlichen Charakter aufweisen. So ist die als Magie bezeichneten Erscheinungen in aller Regel von der gleichen Konstellation wie telepathische oder telekinetische, gelegentlich auch telästhetische Erscheinungen. Als Beispiel möge man Hexerei, Regenmachen, Umlenken von Wurfgeschossen. Ein Unterschied ergibt sich allenfalls dort, wo der Ursprung oder das Ziel es supponierten Prozesses bei Instanzen postuliert die ihrerseits so wenig wie der Prozess selbst physischen oder unmittelbar psychischen Charakter (Erleben, Erlebnisbericht oder Agieren) aufweist. Analog steht es mit Annahmen über das Wirken oder die Beeinfluss von Gott, von Engeln u.dgl. Ich habe in der Literatur bisher keine Hinweise gefunden, die diese Analogie explizit thematisieren.

 

Vierfeldertafel: Systematik paranormaler Erscheinungen

(physisch / psychisch als Ursprung / Effekt):

 

Behaupteter ontologischer Charakter des Effekts

Behaupteter ontologischer Charakter des Ursprungs

sog. physisch

sog. psychisch

sog. physisch

oder materiell

Paraphysik

(terra incognita)

Telekinese

Apport, Levitation,Spuk, Raps, Materialisation;

Körperfall beinflussen, REG-derandomisieren, beeinflussen

sog. psychisch,

mental, geistig

oder transzendental

Telästhesie

oder Kryptästhesie: Hellsehen, ASW = ESP, Retro- und Präkognition;

Karten oder Random-Event-Generator raten

Telepathie

Gedankenübertragung, psychische "Ansteckung";

Vorstellungen, Zustände anderer erkennen oder beeinflussen.

 

Prüfe, ob irgendeines der postulierten paranormalen Phänomene nicht in die Tabelle passt!

wenn nötig sind die Begriffe weit zu bestimmen:

Tele- als über Zeit und/oder Raum ohne Kontinuität wirkend (dh mit Lücken im physischen Träger).M.a.W. Während wir bei psychischen oder bei geistigen Erscheinungen sowohl eine Bedeutung wie einen materiellen Träger anzunehmen gewohnt sind und Grund dazu haben, wenn wir diese beiden Begriffe bilden, gibt es bei den parapsychologischen Phänomenen an der einen oder anderen Stelle einer Wirkungskette sehr wohl Physisches oder Psychisches in Form von einem funktionellen Gehirn oder Geistiges in Form eines Zeichens oder eines Texts, aber dazwischen soll an wenigstens einer Stelle dieser Träger fehlen und die Übertragung trotzdem funktionieren.

Seltsamerweise implizieren die postulierten Erscheinungen auch die Möglichkeit eines absoluten Raum- und Zeitbegriffs, also vor, nach und ausserhalb der materiellen Welt Existierendes. Psychisch als sowohl irdisch-mentale wie spirituelle Entitäten einschliessend, von denen postuliert wird, sie könnten, zeitweise oder immer, ohne materiale Grundlage existieren und zwar ohne Bindung an Raum und Zeit.

 

Ich behaupte, dass keines der behaupteten anomalen Phänomene nicht in die Tabelle hineinpasst (vgl. unten meine Vollständigkeit annähernde Liste unter Okkultismus),

was zur These führt, die gesamte Parawissenschaft sei nichts als ein Artefakt des ontologischen (Leib-Seele-)Dualismus, bzw. der ontologischen Materialismus-Idealismus-Trennung.

Auch in jedem Pseudo-Monismus (vgl. die gegenwärtigen Materialismen und Idealismen) bleibe das Problem virulent, solange solche Erfahrungen bestehen, weil Übersetzungsregeln per definitionem ausgeschlossen würden

ontol. Materialismus: kommt ohne nicht-materielle Entitäten wie Begriffe, Zahlen, Funktionen etc, nicht aus

ontol. Idealismus: kommt ohne denkende Körper und ohne Symbole, beide auch notwendig "materiell", nicht aus

Hingegen würde das Problem in einem echten Monismus entfallen

Vermutung dass Drei-Welten-Lehren das Problem eher noch komplizieren anstatt vermindern: Husserl: Materie, Psyche, Formalien; Popper: Worlds one, two, three.

 

Telästhesie (Kryptästhesie): Beeinflussung bzw. Betroffensein durch räumlich oder zeitlich ferne physische Gegebenheiten ohne erkennbare Vermittlung

Typische Experimente mit Kartenraten, Random Event Generator: Ereignisvorhersage

 

Telepathie : Erfahren von fremden Bewusstseinsinhalten bzw. Bewirken von solchen ohne physisch-sinnlich-organische Vermittlung

Typische Experimente mit Zahlenreihen- oder Bild"übermittlung": Nachmachen

 

Telekinese (Psychokinese): Mentales (transzendentales) Beeinflussen von physischen Gegebenheiten (durch direkte Willensakte, ohne Motorik oder Drüsentätigkeit) ohne organisch-physische Vermittlung

Typische Experimente mit Würfeln (Zahl(tendenz) oder Richtung des Rollens), Beeinflussung von Maschinen (Random Event Generator, Magnetnadeln etc.)

zB H. Schmidt ab 1969: ein schneller Zähler, der vom zeitlich zufälligen Auftren eines radioaktiven Zerfallsprozeses gestoppt wird und dessen letzte bits zur Ereignissteuerung eingesetzt werden. Postulierter Zusammenhang mit subatomaren Unschärferelationen als (untauglichem) Paradigma für Wahlfreiheit.

 

Paraphysik: nicht-mentale oder rein materielle paranormale Erscheinungen

Gibt es eine Paraphysik, und welche; in welcher Beziehung zum absoluten Zufall, dh zur kleinen Unsicherheit in den Gesetzen oder in der Erfassung von Situationen (Peirce)?

Wer könnte sie eigentlich wie feststellen? Könnte da nicht gelegentlich oder immer Telästhesie oder Telekinese im Spiel sein? Das ganze Problem kann sich nur stellen, wenn es "echte" Physik und "echte" Psychologie gibt und nichts sonst. Da man es erstere nur mit "echt" physikalischen Verfahren prüfen kann und das letztere nur mit "echt" psychologischen, dreht sich die Argumentation im Kreis und ist sinnleer.

Natürlich müsste logisch auch die umgekehrte Betrachtung möglich sein: das "Feste", "Sichere" ist das Psychische; (Para)physik wäre dann eine Funktion des Psychischen, müsste mit psychologischen Verfahren untersucht und gesichert werden. Dh jede und jeder kann behaupten, was er oder sie Lust hat, und niemand kann es wiederlegen. Das geht indivduell fast ohne weiteres; soziale allerdings stellt sich rasch die Frage nach der Verlässlichkeit; und da haben die, welche aufgrund ihres Verständnisses eine funktionierende Maschine od. dgl. bauen, natürlich einen gewaltigen Vorteil an Glaubwürdigkeit.

 

PS: Okkultismus: Sammelname für alle Formen von Lehre und Praxis betreffend verborgenen oder geheimen, insbesondere übernatürlichen oder unerklärlichen Kräften oder Dingen (welche mithin paraphysikalisch sein oder auf Telepathie, Telästhesie oder Telekinese beruhen bzw. Psi-Funktionen voraussetzen sollen); schliesst ev. auch jene Praxisen ein, welche das "geheim" als inklusiv-exklusiven Kult arrangieren. Dieser Übergang vom zu erklärenden Vorgefundenen zum vor Erklärung zu schützenden Hergestelltem ist vielleicht wichtiger als man gemeinhin annimmt.

 

Einige Verwandte und teils einigermassen unterscheidbare Gebiete:

 

Unscharfe Grenzen zwischen Psy und Phy

Zwischen Telästhesie und Telepathie und Telekinese sind keine oft eindeutig oprationalisierbaren Abgrenzungen möglich, alle bekannten Experimente vermengen die mutmasslichen Mechanismen

Telepathie kann aktiv übertragen oder Telästhesie des Hirnzustandes des Senders implizieren

Telästhesie könnte immer auch Prä-Telekinese(zB als Beeinflusses des REG) einschliessen, oder Telepathie, wenn ein Versuchsleiter oder Dritter die Objekte sieht oder denkt.

Telekinese könnte Präkognition einschliessen, wenn vom Medium nicht Beliebiges verlangt wird, sondern wenn es bdestimmen kann, was es verändern will.

Daraus Rückschluss auf die Unklarheit der Ausgangsbegriffe naheliegend

 

Evidenz: drei Arten von Belegen

Retrospektive Berichte über paranormale Spontanereignisse (Anekdoten)

Viele Menschen scheinen selber solche Erfahrungen zu haben

Deren unzureichende Dokumentation lässt keine sicheren Schlüsse zu

Bedingt wiederholungsfähige Akte von paranormal "Begabten" (Demonstrationen)

Manche spektakulär (zB Uri Gellers Löffelbiegen)

Viele haben sich kontrollierten Bedingungen verweigert oder sind als Gaukler (kunstreiche Verführung, Vorspiegelung, Täuschung) entlarvt worden

Befunde unter kontrollierten Bedingungen (Experimente)

Experimentelle Bedingungen

Versuchsleitereffekt

Replikationsproblem

Statistische Verfahren

Wahrscheinlich sind die angefressenen Parapsychologen Opfer der statistischen Verfahren, derer sie sich bedienen (Lem 1964:647f.)

Lems Gedankenspiel: 10'000 Psychologen machen je ein Experiment, je 50% mit positiven und negativen Eregebnissen; 500 von den positiven sind von der Grösse des Effektes überzeugt und fahren weiter, mit ähnlichem Resultat; 25 von ihnen fahren in die 3. Phase; 5 in die 4.; einer oder zwei in die 5. Wer schon mal so viel Erfolg mit dem Zufall hat, muss ja wohl weiterfahren, schon aus Sucht.

Fehlanwendung der Statistik (nach Clark Glymour 1987 (Diskussion Alcock 1987)

Es liegen faktisch etliche Leistungsverteilungen in Experimenten vor, die statistisch signifikant von zufälligen Erwartungsverteilungen abweichen

Daraus lässt sich nichts zu schliessen, insbesondere nicht, dass Effekte auf psychischen Kräften oder dergleichen zurückzuführen seien; nur Aufforderung, der Sache nachzugehen (Zurückweisung der Nullhypothese, nicht Annahme einer bestimmten Alternativ-Hypothese)

Das Verhältnis zwischen statistischen Modellen und dem Verhalten von Systemen ist ein heikleres, da in jeder nicht-trivialen Wirklichkeit nicht sehr viele Faktoren mit gleicher Stärke wirken, auch bei bester Kontrolle nicht.

Die Signifikanz sagt nichts über die Effektgrösse aus (die normalerweise sehr klein ist)

Wenn man (zB Schmidt 1969, mit REG) 60'000 präkognitive Vorhersagen über eines von 4 Ereignissen sammelt, die Zufallserwartung also bei 15'000 richtig liegt und man erhält 15'691 (26.1%), so ist das statistisch nach üblichen Modellen schon signifikant vom Zufallsergebnis verschieden. Aber was sollen wir damit anfangen?

"If the parapsychologists want to convince rational folk, [they have to] to trigger big effects. Make things jump without touching them. Move a mountain or two without applying any force."

Statistik schafft kein Vertrauen in das Unwahrscheinliche. Das Unübersehbare braucht keine Statistik.

Meta-Analyse: Radin et al. 1985; Dawes 1987

184 Studien Telekinese (influence Random Events Generator on-off)

144 bis 101Mio Events pro Untersuchung, im Median 19'188 (!)

Hit-Rate .5056 -- indeed week signal

Dummerweise Korrelation zwischen Hit-Rate und Sample-Grösse -.47, dh je kleiner die Anzahl Vorhersagen, desto grösser Die Hit-Rate

durchschn. Hit-Rate für Untersuchungen über Median.5003

 

Eine unglückliche Belegstrategie!

Leider versuchen die meisten (fast alle) parapsychologischen Forscher, besagte Anomalien zu generieren, anstatt dass sie zu analysieren, unter welchen Bedingungen sie auftreten oder nicht, und wie sie gefördert, modifiziert oder behindert werden könnten.

Das ist eine zum Scheitern zum vornherein verurteilte Strategie, insbesondere, wenn sie auf statistische (Indizien-)Belege angewiesen ist

Ein massiver, unübersehbarer (und nicht leicht widerlegbarer!) Beleg (zB ein wirklich versetzter Berg) würde die Beweislast umkehren. Ein solcher ist nie aufgewiesen worden.

Eine induktive Forschungsstrategie bringt nichts (brächte auch nicht bei allfälligen eindrücklichen Belegen), weil nie jemand bisher eine auch nur einigermassen spezifische Hypothese vorgebracht hat, wie denn die Tele-effekte vermittelt werden könnten.

Erst eine solche könnte dann einer Widerlegungsstrategie ausgesetz werden.

Eine solche wäre nach meiner Auffassung abhängig von einer Spezifikation des Psychischen oder Transzendentalen oder Mentalen über dessen Existenz-Behauptung hinaus; gerade das gibt es aber nicht.

Sondern nur private Erfahrung und negative Definition als nicht-materiell

Sie scheinen ihren Gegenstand nicht ausreichend in den Griff zu bekommen, weder als vorgefundenen, noch als hergestellten, sonst hätten sie längst auf Analysestrategie übergehen können: Bedingungen des Auftretens und der Variation des Phänomens eruieren.

Es gibt dazu erst vereinzelt Versuche, zB mit physischer Distanz bei

Telästhesie, Telekinese

 

Problemlage

Ich blende die Rolle von Parawissenschaften im weiteren, unmittelbaren Sozialsystem aus, konzentriere mich auf das Sozialsystem Wissenschaft.

Wir haben eine angeblich einheitlich Phänomenklasse, Psi oder das sog. reine Psychische, deren zuverlässige Beschreibung schlecht gelingt und dennoch oft für eine Erklärung ausgegeben wird.

Spektakuläre Einzelbeschreibungen, unvollständig

Statistische Befunde, wenige und schlecht replizierte, aus sehr vielen Experimenten

mit Bedingungskontaminationen und undurchschaubarer Variation

vermutlich ohne substantiellen Gehalt

sicher ohne nachvollziehbare Erklärungshypothese

Psi würde, wenn glaubwürdig belegt, eine ganze Reihe von sehr bewährten Gesetzen verletzen

Erhaltungssatz für Energie/Materie

Wirkungspropagation in Raum und Zeit mit endlicher Geschwindigkeit und mit zur Distanz abnehmender Stärke

Reale Versursachung nur in gerichteter Zeit vorwärts

Ich konnte anderseits bisher kein anerkanntes psychologisches oder soziologisches oder kulturwissenschaftliches Prinzip oder Gesetz ausmachen, welches radikal betroffen wäre

Der Grund dafür liegt wohl in der Tatsache, dass diese Wissenschaften bisher darauf verzichtet haben, ein Verursachungsprinzip zu verwenden, welches in den genetischen Reihen -- wie eine Erscheinung aus der anderen hervorgeht -- nicht Lücken lässt, sodass Erscheinungen nur mit Sprüngen aufeinander zurückgeführt werden.

 

Handelt es sich um ?

Widerlegungsstrategien

Induktionsstrategien, statistisch, naturgemäss nicht abschliessend

Natürliche Aufklärung von Spontanereignissen (unsicher)

Entlarvung von Gauklern (gutes Indiz dagegen)

Replikationen und (Meta-)Analysen von Experimenten (beides wird schlecht gemacht und überzeugt nicht)

Psi-Missing: wenn unterzufällige Ergebnisse ebenso häufig auftreten wie überzufällige, so deutet das auf eine statistisches Normalerscheinung (kein Bedarf für besondere Erklärunge). In der Tat wird das häufig beobachtet, freilich nicht immer berichtet. Von manchen Parapsychologen wird Psi-Missing (unlogischerweise) als Evidenz für Psi genommen.

Deduktive Strategien

Ein echter Zufallsbegriff lässt in the long run sehr unwahrscheinliche Ereignisse zu

Es gibt geläufige Fiktionen, welche Täuschungen fördern, zB

Kategorisierungen von Kontinua (Schwellenkonzept)

Vernachlässigung von Zusammenhängen (Synechismus, gemeinsame Gewohnheitsbestände vonPersonen mit teils gemeinsamen, teils getrennte Erfahrungen)

Es gibt allgemeine unmerkliche Muster des Verhaltens, zB Rand- oder MIttenbevorzugungen

Deduktiv-induktiv, theoretisch-empirisch

Stanislaw Lem (Summa Technologiae, 1964/76:593-599,646-649)

Ich weiss nicht, ob das Argument von Lem stammt; er gibt keine Referenz an. Eigentlich ist es ein sehr naheliegendes, sehr kräftiges Argument. Aber eben, durch Forschen scheint man sein Leben leichter verdienen zu können als durch Denken.

Merkwürdig ist, dass das Argument in der besten mir bekannten neueren parapsychologie-kritischen Literatur (zB Edge et al 1986 (Lehr-Buch); Alcock 1987 (Behavioral & Brain Sciences, + Diskussion) nicht aufscheint! (Bisher keine Gelegenheit, B. Wolman's (1977) Handbook of Parapsychology, oder P. Kurtz (1985) A Sceptic's Handbook of Parapsychology, zu prüfen.

Es scheint auch im Umkreis der sonst höchst verdienstvollen CSICOP (Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal; vgl. im Internet: http://www.csicop.org/ ) bisher nicht bekannt zu sein.

Wenn solche Fähigkeiten Lebewesen konsistent verfügbar (gewesen) wären, hätten sie sich bioevolutiv massiv geltend machen müssen (deren Nutzung wäre nämlich viel "billiger" als Augen, Ohren, Beine, Hände herauszubilden).

Man stelle sich die Vereinfachung von Beutfinden, Feindvermeiden oder Partnersuche und -wahl sowie Kooperation in der Jungenaufzucht für jene vor, welche über Para-Fähigkeiten wirklich verfügten!

Tieren aller höheren Stufen werden ja solche Fähigkeiten häufig zugeschrieben. Lem: "Wenn es [der natürlichen Evolution] nicht gelungen ist, telepathische Meerkmale zu «kumulieren», so heisst das, dass es nichts zu kumulieren und auszulesen gab." (1964/76:649)

Analoge Argumente sind möglich gegen die Behauptung, es müsse sich nicht um ein biologisch basiertes und vererbbares Phänomen handeln

Lems Argument lässt sich mit der nötigen Vorsicht kulturevolutiv übertragen: wozu aufwendige Kommunikations- und Transport- und Manipuliersysteme konstruieren, wenn man direkt erfahren, bewegen oder bewirken kann?

Allerdings müssten solche "Transmitter" vielleicht zuverlässig sein, um sich im Sozialsystem zu halten.

Die blühenden Para-Schulen, wo man für viel Geld seine Para-Fähigkeiten verbessern lernen können soll, sind ja wohl normaler Schwindel, analog vielen materiellen Jahrmarktsangeboten.

Argument gilt individualgenetisch: wenn diese Psychics oder Medien nicht Gaukler oder Tagträumer oder Betrüger oder Irrealisten (Nominalisten) wären, so gäbe es (in der Reihenfolge des Bedarfs für Verlässlichkeit):

Keine Spielkasinos , die den Besitzern und dem Staat beträchtliche Summen einbringen, könnten sich halten, da die Psychics die Roulettekugel-Bank präkognitiv oder telekinetisch sprengen können; die Börse wäre unmöglich, wenn es Leute gäbe, welche nach Einkauf günstiger Werte telepathisch ein Unternehmen in eine Hausse bringen und alles verkaufen könnten.

Insbesondere hier müssten auch schon kleinste Grade von echter Überzufälligkeit Folgen zeitigen und Unheil anrichten.

Noch grössere Unterschiede zwischen reich und arm (denn mit Präkognition oder gar aktiver Telepathie liesse sich an der Börse oder an Spielbanken allerhand erreichen, wenn sie so etwas denn aushalten sollten),

Keine Nachrichtendienste oder Diplomatie wäre sinnvoll; Mächtige oder Möchte-gern-Mächtige müssten die geheimen Absichten ihrer Gegner oder Opfer hellseherisch kennen und telepatisch beeinflussen können,

Keine Kriege wären mehr möglich; einige Psychics müssten bloss statt Löffel telekinetisch Kanonenrohre biegen oder Raketen ablenken, usw. Oder würden sie ihre Dienste für das Gewinnen von Kriegen verkaufen können?

Das Argument ist als teil-induktives nicht 100% schlüssig, aber sehr mächtig, weil die Induktionsbasis so unerhört gross ist, wie sie kein Experiment je nachstellen kann:

seine Widerlegung müsste aber die unwahrscheinliche Annahme machen, dass Psi erst seit kurzem in der Bioevolution auftritt oder mit unbekannter Grundlage extrem selten und nur fluktuierend in einzelnen Personen und nicht lernbar.

Und warum heiraten diese Psychics nicht fleissig untereinander, um ihren angeblichen Vorteil wenigstens bei ihren Nachkommen zu fördern?

Dennoch, Natur und Kultur machen hier bessere Experimente als die besten Wissenschaftler.

Anderseits scheint der gesellschaftliche Prozess geeignet, die Kenntnisnahme von deren Ergebnissen zu verleugnen.

Wünsche sind bedeutende Eltern der personalen und sozialen Realität.

Wissenschaftliche Traditionen enthalten normalerweise blinde Flecken.

Mit Forschen ist das Leben leichter zu verdienen als mit Denken.

 

Rekapitulation und Deutungsversuch

Rekapitulation

Meiner Meinung nach ist es eine unsinnige Frage, ob oder ob nicht Psi existiert, jedenfalls empirisch nicht lösbar, wenn die Definition auf eine statistische Abweichung gegen eine bloss irgendwie plausible, notwendig modellabhängige Zufallserwartung reduziert wird.

Empirische Wissenschaft muss Ideen auf die Probe stellen. Hier scheinen die Ideen zu fehlen, bzw nicht in erprobbare Fragen umgesetzt worden zu sein, umsetzbar zu sein.

Interessanter die Frage, warum so faszinierend und kontrovers und ohne Lösung in über 100 Jahren, wissenschaaftssoziologisch, -psychologisch.

also von den Para-Phänomenen zum Phänomen Para-Wissenschaft.

Phänomenordnung zeigt auf Phy-Psy Scheinproblem.

es geht auch nicht bloss um eine wissenschaftssoziologische oder -psychologische Frage;

vielmehr glaube ich, dass man das Phänomen Parapsychologie als Symptom einer erkenntnistheoretischen Problemlage mit psycho-sozialen Folgen verstehen sollte.

 

Trostpflaster der Naturwissenschaft (bietet die diffuse Möglichkeit eines Auswegs aus mechanistischen Gehäusen an, so dass man getrost mit seinem sektoriellen Forschen im materiellen Bereich weiterfahren kann), weitergehend als zB

Komplementarität versch. Auffassungen

Determinierte Unvorhersagbarkeit (Chaos-Th.)

Selbstreferenz, Sebstorganisation, Emergenz

 

Deutungsversuche (dennoch)

Ist der Fortbestand dieser Beschäftigung eine säkulare Form der Seelensuche, der Behauptung eines Rests von Nicht-Rationalität in einer angeblich rationalen Welt, in der innere und äussere Erfahrungen täglich nur relative Rationalität, eine gefährdete menschliche Lage belegen, obwohl sie doch bei aller Ungewissheit auch erstaunlich geordnet ist?

Diese Behauptung ist zB von Alcock 1987 geäussert worden und hat wie zu erwarten sowohl Zustimmung wie heftigen Widerstand geweckt.

Ich würde eine allgemeinere Version vorziehen:

Mein Titel war ja merkwürdig: Para in Klammern

Sind vielleicht auch weitere Disziplinen ein Opfer dieser seltsamen Dualismus-Annahmen in der Wissenschaft und ihrer bisherigen problemschaffenden Folgen?

Die einen suchen krampfhaft so etwas wie einen Geist, einen absoluten oder einen individuellen, zB Parapsychologen, die andern verleugnen so etwas ebenso krampfhaft, zB Materialisten.

Und beide scheinen einen Preis dafür zu bezahlen. Sie sehen die Welt nur noch einseitig.

Man sollte ja nicht vergessen, das Descartes Trennung der Reiche des Extensiven und des Kognitiven vielleicht nicht zuletzt eine Strategie war, Naturwissenschaft betreiben zu können, und den Ansprüchen der Kirche dennoch gerecht zu werden bzw. der Inquisition nicht anheim zu fallen.

So ist Psi für mich eher eine der manchen Erscheinungen, welche Zweifel am (pseudo-) monistischen Physikalismus (Epiphänomenalismus, Reduktionismus) aufrechterhalten; unglücklicherweise im Namen eines naiven interaktionistischen Dualismus.

Misslingen einer Durchführung von Dualismus oder Idealismus lassen aber nicht einfach einen Materialismus übrig (so wenig wie ein sich selbst auflösender Sozialismus nur den Kapitalismus übrig lässt).

Es gibt weitere, zu Unrecht für weniger kontrovers gehaltene Ausflüsse des Leib-Seele-Dualismus in den Wissenschaften und des daraus erwachsenen Schein-Monismus (Nominalismus), die eigentlich nicht weniger problematisch sind und die viel dringender der Auflösung bedürfen. Davon hier kurz drei:

Der angeblich "materielle" Charakter der Welt wird notwendig mit irgendwie "psychisch-geistigen" Mitteln festgestellt.

Die Rolle des Forschers bei der Konstitution von Konzepten und Experimenten zur Beschreibung der materiellen Welt wird heute prinzipiell anerkannt aber leicht und gern übersehen

Ideen wie Gleichheit, Verschiedenheit, Zahlen, Funktionen; Hypothesen, Gesetze oder Theorien wie Graviation, Wellen-, Quantentheorie; Zeit (kontinuierliche oder getaktete Veränderung von etwas) und Raum (Relationen zwischen mehreren Etwasen); Prinzipien wie Chaos oder Ordnung, Gerechtigkeit oder Verantwortung etc. etc. sind zweifellos nicht materiell oder physisch, obwohl sie nur wirksam werden oder sich erproben lassen können, wenn sie verkörpert sind, in Minds oder in Zeichen.

Es ist also mE auch nicht sinnvoll, sie als "geistig" von ihren Verkörperungen in Symbolen und von ihren realen Referenzbereichen abzusondern.

Auch Kommunikation (unter Wissenschaftlern und sonst) ist nicht einfach ein materieller Prozess, da die physische Wirkung eines Signals, obwohl unentbehrlich, gerade das uninteressante ist; von ihr muss abstrahiert werden, aus ihr mittels Decodierung etc. ein Inhalt herausgelöst werden.

Wenn Kosmos, Leben, Person und Kultur Entwicklung zeigen, dann sind diese Erscheinungen aus Prinzipien, die nur notwendige oder zufällige Veränderung zulassen, nicht zu verstehen.

Zwischen dem Notwendigen und dem Unmöglichen ist ein breites Zwischenreich des Wirklichen.

Dass die einen Wissenschaften alles durch die Brille der Notwendigkeit sehen wollen und dann freilich den Zufall anerkennen müssen,

und die andern sich ein Freifeld zu halten versuchen, in dem menschliche Willkür schafft,was ihr beliebt, sofern sie es kann, um welchen Preis immer,

ist nicht ein vertrauenswürdiges Angebot der Institution Wissenschaft.

Die Aufrechterhaltung dieser Spaltung könnte ihr und uns allen den Kragen kosten.

Das Leib-Seele-Problem sollte nicht zu lösen versucht, sondern aufgelöst werden. Gefragt ist eine Sicht, welche zB vom Gebrauch der Dinge der Welt durch Lebewesen ausgeht. zB eine generative Zeichentheorie (nicht bloss eien interpretative, welche den Dualismus voraussetzt, wenn sie Zeichen(träger) und Bedeutung trennt und zuordnet.

Ich bezweifle, dass die Parapsychologen einen Weg aus der Leib-Seele-Problematik weist. Dafür, dass sie als ein Symptom diese Problematik unfreiwilllig aufgewiesen und so viel Kritik so lange ausgehalten haben, muss man ihnen freilich dankbar sein und ihre anhaltende Begeisterung, um nicht zu sagen, ihren Heroismus gewissermassen bewundern.

 

Fussnote

1 vgl. Herrmann, Theo (Hrsg.): Dichotomie und Duplizität: Grundfragen psychologischer Erkenntnis -- Ernst August Dölle zum Gedächtnis. 1974, Bern, Huber. Siehe auch die Rezension durch den Verfasser des vorliegendes Textes in: Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 34 (1) 1975 93-94.

Das Leitmotiv des Dölle'schen Lebenswerkes, das im genannten Gedächtnisband seine Apotheose gefunden hat, ist offenbar von eminent parapsychologischem Gehalt. Ernst August Dölle hatte nämlich begriffen, dass das grundlegende methodologische Prinzip der Psychologen darin besteht, ihre eigentlichen Gegenstände, Menschen in ihrer Welt, in allen möglichen Aspekten zu dichotomisieren, obwohl sie durchaus wissen, dass erst beide zusammen in ihrer Doppelgesichtigkeit und Gesamtheit diesen Gegenstand wirklich ausmachen. Sie -- gemeinsam mit einem weiteren Kreis von Philosophen und Wissenschaftlern -- "zerschneiden" Menschen in Leib und Seele, trennen das Existieren von Menschen in Organismus und Umwelt auf, die Dinge der Umwelt in Stoff und Form, die gesamte Wissenschaft in einen naturbezogenen und einen geistigen Teil und so weiter und so fort. So können sie ihre Lebenswerke der Aufgabe widmen, die Doppelnatur alles Menschlichen zu beweisen und das von ihnen selbst zuerst Getrennte auf mehr oder weniger raffinierte Weisen wieder zusammenzubringen zu versuchen. Natürlich ohne Erfolg; denn in der Wirklichkeit existieren und funktionieren diese Sachverhalte ja nicht getrennt.

Weniger klar ist, ob Dölle auch behauptet hat, dass die mit dem zweiten Schritt dieser Folge aufgeworfenen Duplizitätsfragen oder Probleme der verschiedenen Dualismen nie einer Lösung zugeführt werden können, weil es sich ja nach dem Trennungsschritt um bloss virtuelle Probleme handelt, die ohne diesen ersten Schritt gar nicht existieren würden. Wie man weiss, hat Dölle seiner Grundeinsicht nur in kaschierter Form Ausdruck zu geben gewagt. Er hätte mit dieser These ja seine gesamte Kollegenschaft weltweit gegen sich aufgebracht. Die Grundlagen und die Entwicklung einer ganzen Wissenschaft, des eigenen Faches gar, in Frage zu stellen darf aber keinem Einzelnen zugemutet werden.

Die vom Verfasser im vorliegenden Text vorgebrachte und in der Vierfeldertafel zusammengefasste These ist freilich durchaus im Geiste Ernst August Dölles entwickelt worden. Es ist, so weit ich sehe, unbekannt und muss unter den gegebenen Nachlassverhältnissen wohl für immer so bleiben, ob Dölle seine These auch auf die Parapsychologie ausgedehnt hatte. Es sei denn, weitere Manuskripte würden eines Tages noch gefunden. Denkbar ist durchaus, dass Dölle seine These am Beispiel der Parapsychologie erahnt und ausgeführt und dann auf die gesamte Psychologie übertragen haben könnte. Denn in der Tat ist damals wie heute unbekannt, auf welche Weise Psychisches auf Physisches und Physisches auf Psychisches wirken kann. Und nur dieses Rätsel ist es ja, was den Parapsychologen ihre Daseinsberechtigung gibt. Wie denn auch die Natur des Physischen oder Materiellen wie des Psychischen oder Geistigen noch nie gefasst werden konnten ausser im jeweiligen Gegensatz. Keines von beiden ist je anders denn in Verbindung mit dem anderen angetroffen worden. Wie sollten sie unter diesen Umständen, in denen sie eines sind, denn aufeinander einwirken können?

 

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