* Schule statt Fächer — Transdisziplinäres Denken und Handeln
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* Pasted Graphic
* Alfred Lang University of Bern, Switzerland
* Conference Presentation 200x
* Schule statt Fächer
* Vom Sinn und Elend der Disziplin(en) im Verständnis der menschlichen Kondition — Bedingungen und Chancen interdisziplinärer Praxis.
* Vortragsvorlage für die Tagung "Schule statt Fächer" der Nordwestschweizerischen Erziehungsdirektoren-Konferenz in Solothurn, 17.-18. 5. 2000
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* Published First 2005.02.27 , Revised , Calls Count since Publication:
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wedge Zur Einstimmung: Schule, Kinder, Lehrer, Eltern und Kindeskinder -- Erwägungen zum Platzhalterprinzip in der Demokratie.
* Ich bin ein Schulträumer
wedge Zwei Wertthesen
* Sind Kinder nicht das Kostbarste, was wir haben können, und so fragil wie unsere Lage prekär?
* Ist nicht Demokratie, also Delegation mit Verantwortung unter Rücknahmemöglichkeit, die einzig menschenwürdige Lebensform?
wedge Die menschliche Kondition — dreifach evolutiv
* Zur Kinder-Wert-These. Wäre es nicht naheliegend, den Sinn unseres Daseins in unseren Lebensbereichen selbst zu machen anstatt ihn in einer jenseitigen Welt oder in "immer mehr und grösser und besser von allem" und dem Versuch alle andern zu übertreffen wollen (müssen) zu suchen? Und besonders in dem, was dieses evolutive Geschehen weiter hervorbringen könnte und kann, wenn wir unseren eigenen Beitrag dazu in konsiderater Weise koordinieren? Die evolutive Ordnung der Welt, ob in den biotischen Formierungen, in den individuellen Lebensläufen oder in den kulturellen Differenzierungen der verschiedenen Traditionen sind erstaunlich systematisch und aber natürlich weder gesetzmässig vorprogrammiert, noch zu 100% sicher. Die menschliche Lage ist prekär; aber angesichts des Umstandes, dass wir unsere Lage durchaus auch verbessern können, dürfen wir den meisten Gefährdungen doch einigermassen zuversichtlich entgegentreten. Entgegentreten könnten, sollte ich wohl sagen. Denn tatsächlich sind heutzutage weitaus die meisten Katastrophen, welche Menschen erleiden und befürchten müssen, von Menschen vorbereitet und gemacht. Mit Zuversicht das Prekäre unserer Lage bewältigen können wir also nur dann, wenn wir uns auf Beiträge der Anderen im gleichen Sinn einigermassen verlassen können wie sie auf unsere. Dem steht aber genau entgegen, dass das gängige Menschenbild dazu auffordert, die andern auszutrumpfen.

* Zur Demokratie-Menschenwürde-These. Menschliches Zusammenleben in den Kulturen ist nicht automatisch; es ist vielmehr eine ständige Aufgabe. Wenn wir, was immer noch das Ziel der meisten Wissenschaften ist, gewisse Regel- oder Gesetzmässigkeiten gefunden zu haben meinen, müssen wir in evolutiven System damit rechnen, dass mit dem evolutiven Wandel der Systeme gerade auch die beschriebenen Regelmässigkeiten sich wandeln, nicht zuletzt auch, weil sie wegen ihrer Erfoschung besser bekannt geworden sind. Die klassische Wissenschaftsstrategie der Extrapolation vom Geschehenen auf Künftiges ist also in evolutiven Sachbereichen wenig klug, wie sehr sie sich in physiko-chemisch-mechanistischen Bereichen bewährt hat. Sie ist merkwürdigerweise über die allen Tieren eigene Strategie der Bildung und Nutzung von Instinkten nicht hinausgekommen: wunderbar, solange die Welt beständig bleibt; untauglich, wenn sie sich ändert. Man muss bedenken, dass die modernen Menschen nicht nur in ihren Köpfen unglaublich hohe Komplexitätsstufen erreicht haben, sondern im evolutiven Wechselspiel damit auch unglaublich komplexe Umwelten herausgebildet haben. Was wir als sozio-kulturelle Erscheinungen zu fassen versuchen ist in kulturellen Strukturen wie Dingen, Bauten, Zeug aller Art, und in Texten aus den verschiedensten Symbolsystemen ebenso reich ausdifferenziert wie die kognitiven (leider viel weniger die emotiven) Formierungen in den Köpfen. Die internen, im traditionellen Wortsinn “psychologischen” und die externen kulturellen Strukturen sind nahezu durchgängig derart gründlich aufeinander angewiesen, dass sie separiert, je für sich kaum oder gar nicht operieren können. Es handelt sich dabei in beiden, bzw. besser im Gesamten eben um evolutive Systeme. Dass die Wissenschaften sich zum Ziel gesetzt haben, auch diese Sachverhalte mit mechanistischen Prinzipien in den Griff zu nehmen, ist eine tragische Verkennung der Wirklichkeit. Die Wissenschaftsdifferenzierung in Fächer führt uns da gänzlich in die Irre. Man bedenke, dass auch die Computerei mechanistischen Prinzipien gehorcht. Computer allein sind dumm; wenn sie ihre Menschen beherrschen, sind sie vervielfacht dumm. Anderseits können sich Menschen mit einem Computer, den sie kennen und klug einsetzen, beträchtlich, fast unerschöpflich erweitern.

* Zu den psychischen und sozio-kulturellen Differenzierungen der Lebenswelt gehört, dass wir rollen- und aufgabenteilige Einrichtungen erfunden haben, die das Zusammenleben überhaupt in den gegebenen Formen ermöglichen. Wir überlassen gewisse Aufgaben anderen und profitieren davon, bieten unserseits den andern von unseren Kompetenzen und Leistungen an. Mit anderen Worten, wir delegieren und lassen uns delegieren; aber die Delegierenden sollten die jeweils Beauftragten daraufhin überwachen, ob sie angemessen und verantwortlich agieren. Und da scheint es mir nun im Zusammenhang mit der Idee, dass alle ihren Sinn aus ihrem Beitrag zu diesem Ganzen des Geschens gewinnen könnten, angezeigt, über Demokratie zu sprechen. Ich denke, das letzte was Demokratie charakterisiert, ist das Wählen und Abstimmen; das ist ein ziemlich dummer Notbehelf, entstanden infolge problematischer Platzhalterkonzepte und deren Klüngeleien; und entstanden aus dem Umstand, dass die heutigen Platzhalter, sprich die Parteienpromonenz fast wie früher die Aristokraten verstanden haben, als loyale Gruppen Kontinuität über Generationen zu halten. Die zweiten durch erbliche, die ersten durch klientelisch und pekuniäre Beziehungen. Denn die Platzhalter und Aspiranten darauf haben sich ein System von Klienten zugelegt, denen sie dank ihrer öffentlichen Rollen etwas bieten können oder bieten zu können versprechen. So ist die Demokratie zu einer Arena degeneriert, in welcher um die Zuteilung von Privilegien an alle möglichen Gruppen gefochten wird: wie du mir und den meinen, so ich dir und den deinen. Das allgemeine Interesse kann scheinbar mehr oder weniger daraus abgedeckt werden; das variiert zwischen den leicht unterschiedlichen konkreten Demokratien. Aber letztlich wird es leiden. Heute vor allem wegen der durch die Begehr-, Verteil- und Manna-Mentalität mitbedingten Übernutzung der natürlichen und menschlichen Ressourcen.

* Ob in partikulärem oder im allgemeinen Interesse, die Herstellung einer lebenswerten Welt ebenso wie eine Welt aus Austricksen und Ausbeuten laufen natürlich über Generationen hinweg. Und so ist es angezeigt zu sagen: was wir in unsere Kinder im Sinne der Humanisierung unserer Lebenswelt investieren, ist das Beste, was wir für unsere Kindeskinder tun können. Und der kleinste, unscheinbarste Beitrag dazu kann seinen Sinn bekommen in dieser Kette der Dinge. Die Frage, ob der eine oder andere der Schritte sich als ein günstiger oder ein ungünstiger herausstellen wird oder nicht, sollte unsere erste Präokkupation sein. Ich charakterisiere die Kinder als “fragil”, weil Einflüsse auf sie umso nachhaltiger sind, je früher sie auf noch wenig differenzierte Vorbestände treffen. Kinder sind noch viel leichter zu “brechen” als Pferde; einfach indem man ihnen keine Gelegenheit gibt, Erfahrungen ausserhalb einer Herde zu machen. Was macht unsere Schule aus den Kindern? Eigenständige Menschen wären eigentlich gefragt, nicht Klienten von Platzhalter-Aspiranten.

wedge Geschichten von den Platzhaltern
* In herkömmlichen Menschenbildern wird der Sinn des Daseins in eine fiktive Welt einer “eigentlichen”, angeblich göttlichen oder wissenschaftlich gesicherten Ordnung verlegt, was leicht den Blick auf die realen Möglichkeiten der Beeinflussung des Zusammenlebens in Sinne von Humanität verstellt und die Beiträge aller ebenso wie die Verantwortlichkeit aller vernebelt. Das gibt leicht selbsternannten “Platzhaltern” Raum, die sich der anderen für ihre Zwecke bedienen, was zunehmend erkennbarer der Allgemeinheit längst mehr schadet als dient.
wedge Schule und Demokratie: Delegation
* Insofern alle Menschen in ihrem Bereich und darüber hinaus zum Lauf der Welt beitragen, daraus ihren Daseins-Sinn gewinnen und dafür auch (Mit-)Verantwortung tragen können, sollte jede Aufgabenteilung einem Delegationsprinzip folgen, welches erlaubt, Aufgabenzuweisungen jederzeit auch wieder zurücknehmen zu können. Folgte die Schule dieser Grundidee von Demokratie und verstünde sich als Einübung dafür, müssten die Eltern den Fachleuten vermehrt in den Arm fallen.
wedge Fächerintegration oder Fächervergleichende Kritik?
* Je enger der Raum zu kulturell-evolutiven Formierungen — ein Fachbereich im Verhältnis zum ganzen des Zusammenlebens; die Fachkenntnis und -kompetenz der Angehörigen einer Fach-Gruppe im Verhältnis zu den Anliegen in der Allgemeinheit — desto gefährdeter wird das Zusammenleben der verschiedenartigen Spezialisten. Der Traum der Platzhalter ist immer noch der einer letztendlichen Integration der Fächer in einem hierarchisch geordneten System. Der evolutive Prozess weist dies als Illusion oder Vorwand auf. Fachkompetenz bedarf mithin einer Neutralisierung aus Vergleichsmöglichkeiten von Perspektiven mehrerer Fächer.
* So etwas nenne ich gelegentlich Schulträume mit Eigendynamik.
* Vom Sinn und Elend der Diszipli(en) im Verständnis der menschlichen Kondition. Oder Bedingungen und Chancen transdisziplinärer Praxis.
wedge a) Die “menschliche Kondition
wedge Skizze
* Menschen verstehen unglaublich viel von allen möglichen Teilen der Welt
* Am wenigsten verstehen sie von sich selbst: was ist der Mensch?
wedge Sonderstellung (“Krone der Schöpfung”, Gottes Ebenbild, etc.)
* Realistiser: Die Menschen als Ein Teil der Welt, als Emergenz der Bioevolution und in Fortsetzung der individuelllen Evolution durch Erfahrungsbildung und -nutzung sowie der kulturellen Evolutionen in der gruppengetragenen Traditionsbildungen, welche jene Erfahrungen vermitteln, sodass sie nicht mehr jeder von Anfang an selber machen muss.
* Teilweise festgelegt durch Gesetze der Natur - teilweise frei in Verantwortung
* Naturwissenschaftlich nicht zu fassen - geisteswissenschaftlich ohne Realitätskorrektur gefasst.
wedge b) Was sind eigentlich Disziplinen?
wedge Differenzierung des Denken vom Handeln
* Beginn bei den Griechen, einige Mehrbessere, die der Musse pflegen und sich für die notwendigen lebenserhaltenden Massnahmen Sklaven leisten konnten
wedge Diversifizierung in der Universität des Mittelalters und der Neuzeit
wedge Die Lateinschulen und Die vier Fakultäten
* theologische
* beider Rechte
* medizinische
wedge philosophische (als “Dienerin” der “höheren”)te.
wedge Trivium (sprachliche Künste)e.
* Grammatik
* Rhethorik
* Dialektik
wedge Quadrivium (andere Künste)
* Arithmetik
* Astronomie
* Geometrie
* Musik
* vorbereitende Funktion
* begleitende Funktion
* vertiefende Funktion
wedge Einheit des Denkens durch Religion
* Was immer
wedge Aufklärungsdenken differenziert faktisch das Handeln
* Die regulierende Mitte geht verloren
* Weil die Kirche ja weiterexistiert und eine wichtige Rolle spielt, doch ganz anders aussieht, als die Wissenschaften verpasst man das Nachdenken über deren Ähnlichkeit.
* Das Leben differenziert sich auf eine ganz neue Weise als durch Arbeiten und Ruhm, nämlich geleitet durch ein Sonntags- und Werktagsmenschenbild: am Werktag gilt die Wissenschaft, am Sonntag der Schöngeist.
wedge Legitimierung des Denkens durch Praxis
* Weil sich das Denken von der Wirklichkeit entfernt hat, wird es nun von der Praxis, genauer von den verschiedenen Praktiken und Techniken in fast allen Lebensfeldern bestimmt.
* Spezialisierungen des 19. + 20 Jh.
* Die Spaltung in “Natur” und “Kultur” (-wissenschaften)
* Die kanonische Dogmatisierung der Disziplinen
wedge c) Transdisziplinäre Strategien
wedge Instrumentelle “Interdisziplinarität”, besser "Transdisziplinarität (dh, die Disziplinen übersteigend:
wedge (a) Hilfsdisziplinen
* Man versucht ein Problem zu lösen und sieht sich an Grenzen, wohl definierbaren; und so kann man eine oder mehrere andere Disziplinen beiziehen in einer Hilfsfunktion, der man eine Teilaufgabe übergibt damit man weitermachen kann
wedge Mathematik, Informatik als Hilfsdizplinen
wedge Das ist gar nicht ohne Risiko! Denn die zunächst bloss technischen Hilfsmittel machen sich quasi-selbständig und bestimmen nicht selten ein Feld mit ihren Einseitigkeiten, die anderen Sichten keine Chance mehr geben.
wedge Math hat zu Idealisierungen von Gesetzen geführt
wedge Und zur Meinung nur eine quantifizierte Wissenschaft sei eine Wissenschaft! — Was für eine Arroganz
* Mathematik ist schliesslich nichts als eine Kunstsprache, in der Symbole und Regeln ihrer Operabiltiät definiert und dann beobachtet wird, wie sie operieren
* Die Zuordnung zu Realitäten ausserhalb der Symbole ist eine Sache für sich
wedge Informatik macht ihren eigenen Charakter geltend, zB Modell der Psyche nach Computermetapher
* Kreisschlüssigkeit: Menschen haben Computer erfunden. Computerfunktionen sollen nun als Modell der Hirnfunktionen, der Denkfunktionen etc. stehen
* Instrumentelle “Interdisziplinarität”:
wedge (b): Modell- oder Leitdisziplinen
* Man hat ein Feld von Verstehensversuchen und Handeln im Hinblick auf die Verbesserung von Lebensbedingungen. Bevor man es sachlich versteht, übernimmt man eine Denkweise aus einer anderen Disziplin und wendet diese auf das neue Feld an.
wedge Physiko-Chemie als Leitdisziplinen zum Verständnis des Lebens; Vulgärdarwinismus als Modell zum Verständnis und zur Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens, zuerst in der Ökonomie, heute in der Konkurrenzgesellschaft das ganze Leben; der Rückfall ins tierische Dasein
* Mangel der Differenzierung zwischen Bio-Evolution und Kulturevolution
wedge Zwischen-, ausser- und überdisziplinäre Probleme
* Die Wirklichkeit hält sich natürlich nicht an Disziplinengrenzen.
* Die Disziplinen erzeugen eine seltsame Betriebsblindheit, gegeneinander und in ihrem je eigennen Bereich.
wedge Perspektivische Orientierung
* Den primäre Gewinn interdisziplinären Unterrichtens bzw. von Erfahrungen in fächerübergreifenden Projekten sehe ich eigentlich darin, dass Menschen in ihrer Bildung zwar eine spezifischen Rucksack in ihrem Fach erwerben, aber durch gründliche Erfahrungen in einem oder zwei anderen Fächern lernen, die relative Rolle, die spezifische Beschränktheit ihres Faches zu erkennen und eine gewisse Gesprächskompetenz mit Fachleuten anderer Spezialisierung sich aneignen.
wedge Integrative Syntheseversuche?
* Dass Verständnisversuche irgendeines Aspekts der menschlichen Kondition und Projekte zu ihrer Humanisierung aufeinander bezugnehmen, ist zwingend. Die Vernetzungen sind etwa im Bereich Mensch-Umwelt in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher erkennbar geworden.
* Es ist nicht zu verkennen, dass dies auch geschieht. Aber ist der Anteil davon auch adäquat?
* Sie wissen, dass die Zahl der Beziehungen zwischen Elementen mit steigender Zahl der Elemente exponentiell wächst [(n ^(n-1))/2]?
* Mit andern Worten, die Pflege der möglichen Beziehungen müsste die Pflege der Disziplinen längst an den Rand des Geschehens verdrängt haben. Wir machen aber in aller Regel aus der Pflege einer Beziehung rasch eine neue verselbständigte Disziplin: Bio-Chemie, Künstliche Intelligenz, etc.
* Eine allgemeine Synthese ist deshalb gar nicht mehr möglich. Die Perspektivität allen Wissens ist unvermeidlich geworden
* Erwerb interdisziplinärer Haltung
* Schluss: Kakophonie, Diktat oder Konzert der Disziplinen?